Von Ursachen und Lösungen

Ursachen

Die meisten Menschen wollen wissen, „Warum?“. Warum habe ich solche Angst? Was ist nur falsch mit mir, dass ich solche Angst habe vor Dingen, vor denen ich vorher keine Angst hatte? Was ist falsch mit mir, dass ich Angst habe vor Dingen, mit denen alle anderen so locker umgehen?

Es gibt immer ein erstes Mal, eine erste Attacke. Die kommt in der Regel „aus heiterem Himmel“. Sie sind in einer überfüllten Strassenbahn an einem heißen Tag, Sie warten an der roten Ampel, Sie gehen einkaufen in einer vollen Geschäftsmeile, Sie liegen schlafend im Bett, oder, oder … . Dann plötzlich: Herzrasen, Schwitzen, Atemnot, Brustschmerzen, Schwindel, das Gefühl, dass alles nicht echt ist, oder, oder … . Sie haben auf jeden Fall wirklich und wahrhaftig einfach nur riesige Angst, nie vorher gefühlte Angst.

Es gibt viele verschiedene Szenarien für die erste Attacke, die Symptome können variieren, auch die Umstände. Gleich ist, dass die körperlichen Symptome so dramatisch und überwältigend sind, dass Sie glauben zu sterben, oder etwas anderes sehr Schlimmes passieren könnte (ein Nervenzusammenbruch, Kontrollverlust, Ohnmacht).

Es ist sehr wichtig, zu verstehen, dass diese Gedanken, diese Interpretationen, auch Symptome der Angst sind. Das Adrenalin, was ausgeschüttet wird, wirkt auf verschiedene Organe und Systeme im Körper, auf den Herznerv zum Beispiel, auf die Atmung und auch auf die Gedanken.

So nun aber zu der Frage, warum entwickeln manche Menschen Panikattacken und Phobien?

Die Wissenschaft hat hier drei Hauptgründe beizusteuern:

1. Es gibt höchstwahrscheinlich eine genetische Prädisposition.

Manche Menschen reagieren auf Stress und Veränderung (durch welche Umstände auch immer) mit einer angeborenen Tendenz zu verstärkten Angstreaktionen. Eine alternative Erklärung zu „es sind die Gene“, wäre, dass wir Angststörungen auch entwickeln können, wenn wir „gute Modelle“ dafür haben. Das heißt, wenn wir mit Menschen aufwachsen, die unter Angst leiden und wir das beobachten und das in unserer Umgebung eben so ist, dann könnten wir das relativ leicht übernehmen.

2. Die Umstände, unter welchen ein Mensch aufgewachsen ist und die Denkmuster, die er im Laufe seines Lebens entwickelt hat.

Manche Menschen haben durch die Umstände, unter denen sie aufwuchsen, durch Ereignisse, die ihnen als Kind widerfuhren und die Botschaften, die sie übermittelt bekamen, nicht das Gefühl entwickelt, dass die Welt ein sicherer Ort ist und dass sie gut gerüstet und fähig sind, mit allem umzugehen, was da kommen mag. Es kann sein, dass es einen frühen Tod in der Familie gab oder Alkoholprobleme oder Krankheiten oder emotionale oder körperliche Missbräuche oder überängstliche Eltern oder das Kind war zu schnell verantwortlich für das Wohl der Familie. Es muss noch nicht einmal etwas sehr Dramatisches passiert sein, aber wenn zum Beispiel die Eltern immer sehr beunruhigt und unsicher waren, wenn das Kind einmal krank war, hat ein Kind vielleicht gelernt, dass der Körper sehr verletzlich ist und nicht viel aushält. Auch hier sind wieder unzählige Varianten denkbar, wie jemand lernt, dazu zu neigen, den Körper stärker wahrzunehmen und Veränderungen und Abweichungen zum Bekannten in beunruhigender Weise zu interpretieren.

3. Stressoren im Leben (Stress, der entsteht, wenn man zum unabhängigen Erwachsenen werden muss, lebensverändernde Stressoren, wie Tod eines geliebten Menschen, Scheidung, Geburt, Arbeitsplatzverlust, Geldnöte, Heirat, der erste Vollzeitjob, Stress durch eine lange Krankheit oder Unsicherheit über seine Gesundheit oder finanzielle Unsicherheit, etc.). In Untersuchungen wurde wiederholt gefunden, dass vor einer ersten Panikattacke oft eine der beschriebenen Stressoren gefunden werden konnte.

Aber das ist nicht immer der Fall. Manche Menschen fühlen sich nicht in irgendeiner Hinsicht belastet und alles läuft gut, man fängt gerade an, seine Ziele zu verwirklichen und bekommt doch Angst und Panik. Erlebt man viel Veränderung in kurzer Zeit oder führt im Gegenteil ein vielleicht nicht genug stimulierendes Leben, kann sich ebenso eine Angststörung entwickeln.

Lösungen

Die Ursache zu erforschen ist für die meisten Menschen wichtig. Sie befriedigt unseren Forscherdrang und ordnet die Dinge für uns ein, bringt sie in einen Zusammenhang.

Für die meisten Menschen mit Angst und Panikattacken ist es aber doch so, dass dieses Wissen um die Ursachen allein, die Angst nicht stoppt. Das liegt daran, dass die Angst nicht mehr deshalb immer wieder auftaucht, weil man einmal dies oder das erlebt hat, sondern weil das Gehirn eine Gewohnheit entwickelt hat, auf bestimmte Reize und Situationen in ängstlicher Weise zu reagieren.  Und es liegt daran, dass die Angst einen immer noch dazu verführt, sich vor ihr zu schützen und somit immer wieder den Glauben zu bestätigen, die Angst sei etwas Gefährliches. (siehe dazu Angst – eine Erklärung). Diesem Teil müssen wir im Genesungsprozess daher Priorität einräumen.

Über das Stadium des Einordnens und Verstehens hinaus, ist es sogar kontraproduktiv immer wieder nach den Ursachen zu forschen, immer wieder in Zweifel zu ziehen, ob das so sein kann (das werden wir eh nie mit vollständiger Sicherheit wissen), immer wieder zu grübeln, was man vielleicht übersehen oder vergessen hat. Das füttert allzu oft nur den Angstkreislauf selbst, indem man sich immerzu über seinen Zustand sorgt.

Heilung kommt mit dem Wissen, dass das, was man erlebt, nicht gefährlich ist und mit dem größer werdenden Glauben daran, dass das wirklich so ist. Heilung kommt, wenn man anfängt auf die Reize, die Angst auslösen, anders zu reagieren als bisher, sie anders zu bewerten und sich anders zu verhalten. Damit werden neue neuronale Bahnen im Gehirn angelegt und die Angst quasi überschrieben.  Je nachdem, was dem jeweiligen Menschen für Methoden entsprechen, kann man das auf verschiedene Arten und Weisen erreichen. Wichtig ist, dass die Angstgefühle fühlbar glaubhaft demaskiert werden, als das was sie sind: Nur Gefühle, die unangenehm sind, aber niemandem wirklich je ernsthaften Schaden zufügen können.